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- Erstellungsdatum 19. Juli 2024
- Zuletzt aktualisiert 19. Juli 2024
Das Prinzip der Nachhaltigkeit und das Berufsethos verlangen von Forstleuten eine ausgeprägte Fähigkeit, lange Zeiträume in der Zukunft zu überblicken und Entscheidungen entsprechend zu fällen. Dies entwickelt sich jedoch auch zu einem Dilemma, denn die Notwendigkeit langfristiger Planung steht im Widerspruch zur hohen Unsicherheit forstlicher Systeme. Im politischen Sinne sind Zukunftsvorstellungen eine politische Ware, welche kommuniziert und verteidigt werden und auf welche sich die Legitimität heutiger Handlungen bezieht. Daher hat die Art, wie die Zukunft vorgestellt und gewissermaßen konstruiert wird, einen realen Einfluss auf die Gestalt der Wälder von morgen. Die vorliegende Studie untersucht daher die Zukunftsvorstellungen forstlicher Stakeholder und deren Trendverschiebungen über die Zeit. Hierfür wurden im Abstand von knapp zehn Jahren (2007 und 2016/2017) zwei Online- Befragungen zur Zukunftswahrnehmung forstlicher Stakeholder für den Zeithorizont 2050 durchgeführt und die Verschiebungen in den Trends miteinander verglichen. Der Fragebogen bestand aus 26 Zukunfts - aussagen für das Jahr 2050 zu den Themenbereichen Orientierung der Forstwirtschaft, neue Bewirtschaftungsformen, Rohstoffnachfrage, Technologie, Wald - eigentum, Naturschutz und Wildnis sowie gesellschaft - liche Bedeutung, welche die Teilnehmenden zustimmen oder ablehnen konnten. Die jeweiligen Antworthäufigkeiten beider Befragungen wurden ermittelt und verglichen. Zudem wurde eine Clusteranalyse zur Identifikation von Personengruppen mit ähnlichem Antwortverhalten durchgeführt. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die langfristige Zukunftswahrnehmung forstlicher Stakeholder sich stark an heutigen Gegebenheiten orientiert und Änderungen vor allem als Verstärkung oder Schwächung aktueller Trends gesehen werden. Die Zukunftswahrnehmung ist unabhängig von Stakeholdergruppe, Alter oder Geschlecht (Tab. 1). Unterschiede über die Zeit zeigen sich sowohl bei der Frage nach der Rohstoffverfügbarkeit und Wirtschaftsorientierung, als auch bei der Frage nach Wildnisflächen und der CO2-Senkenfunktion des Waldes. Die Cluster - analyse ergab, dass zwei Zukunftsperspektiven über die Zeit stabil waren. Eine Gruppe „Bedeutungssteigerung der Forstwirtschaft“ sah eine positive Bedeutungssteigerung der Forstwirtschaft in der Zukunft, eine andere Gruppe „Strukturerhalt der Nutzungsverhältnisse“ sah wenig Veränderung bei den Nutzungsbedingungen im Vergleich zu heute. Im Jahr 2007 sah ein dritter Cluster „Intensivierung der Wirtschaftsfunktion“ vor allem die wirtschaftliche Funktion im Jahr 2050 als dominierend, während 2016/2017 ein dritter Cluster „Zunahme der Segregation“ sowohl wirtschaftliche Interessen als auch Naturschutz als vorherrschend wahrnahm (Tab. 2 und 3). Aus den Ergebnissen lässt sich schließen, dass Trendverschiebungen zwischen den Befragungen durch Entwicklungen, welche in den Jahren dazwischen stattgefunden haben, zu erklären sind. Parallelen lassen sich durch den Vergleich mit Zeitdokumenten feststellen, welche den Verlauf des Diskurses belegen. Es kann zwar nicht abschließend geklärt werden, ob die unterschiedlichen Ergebnisse auf eine veränderte Wahrnehmung durch das Erlebte zurück zuführen sind, jedoch liefern die Ergebnisse entsprechende Hinweise. Dies würde bedeuten, dass die langfristige Zukunftswahrnehmung forstlicher Stakeholder durch das Erleben aktueller Trends und deren Verschiebung geprägt ist, was die Zuverlässigkeit langfristiger Planung in Frage stellt. Als Lösungsansatz wird vor geschlagen, Zukunftserwartungen über mehrere Jahre zu dokumentieren um diese nicht nur als Moment aufnahme in strukturierte Planungsprozesse einfließen zu lassen.