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- Erstellungsdatum 18. März 2022
- Zuletzt aktualisiert 18. März 2022
Waldstandorte mit einer langen Habitatkontinuität werden in Mitteleuropa als besonders wertvolle Lebensräume angesehen und sind häufig Hotspots der biologischen Vielfalt. Dies gilt insbesondere für Laubwälder mit alten Eichen (Quercus robur, Q. petraea) und Buchen (Fagus sylvatica), die vielfach Bestandteile von Schutzgebieten sind. Aber noch bevor der Begriff der Habitatkontinuität geprägt wurde und die Bedeutung alter Bäume für die biologische Vielfalt allgemein anerkannt war, gab es zum Beginn des 19. Jahrhunderts von forstlicher Seite Ansätze, Baumveteranen und Laubwaldbestände aus ästhetischen und historischen Gründen zu schützen. Im Hinblick auf waldbewohnende Vögel und Fledermäuse wurden bereits um 1800 utilitaristische Schutzanstrengungen unternommen, um solche Arten zu schützen, die als natürliche Feinde von Schadinsekten galten. Darüber hinaus sprachen sich bereits in jener Zeit Forstwissenschaftler für die Erhaltung von alten, oft höhlenreichen Bäumen mit dem Ziel aus, insektenfressende Vögel und Fledermäuse zu fördern. Solche Bäume bezeichnet man heute als Habitatbäume. Um die Frage zu klären, ob diese frühen Naturschutzideen von den damaligen Förstern wahrgenommen oder sogar umgesetzt worden sind, haben wir eine systematische Durchsicht der im 19. Jahrhundert publizierten Bände (1825–1900) der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung (AFJZ) vorgenommen. Die AFJZ ist die älteste kontinuierlich herausgegebene forstwissenschaftliche Fachzeitschrift der Welt. Mit dieser Auswertung zielte die Studie darauf ab, zu analysieren und zu diskutieren, in welchem Umfang Ideen und Maßnahmen zur Förderung von Habitatkontinuität und Naturschutz in der Wald - bewirtschaftung des 19. Jahrhunderts umgesetzt wurden. Es konnte gezeigt werden, dass in den AFJZ-Ausgaben des 19. Jahrhunderts die Wertschätzung und die Bewahrung von Baumveteranen sowie der Schutz von Habitatbäumen und Vögeln regelmäßig erörterte Themen waren. Sowohl die zeitlichen Schwerpunkte als auch der Erfolg von praktischen Maßnahmen erwiesen sich hinsichtlich der verschiedenen Themenbereiche jedoch als sehr unterschiedlich. Während Beiträge zu Baumveteranen und zu deren Schutz vor allem zwischen den 1820erund den 1850er-Jahren veröffentlicht wurden, war der Vogelschutz zwischen den 1850er-Jahren und der Mitte der 1870er-Jahre ein wichtiges Thema. Die Habitatbaum- Idee fand zwischen 1855 und 1900 gelegentliche Erwähnung. Obwohl in mehreren deutschen Staaten systematische Inventuren von bemerkenswerten alten Bäumen durchgeführt und einige Bäume geschützt wurden, gab es im 19. Jahrhundert keine allgemeingültigen rechtlichen Vorschriften für den Schutz von Baumveteranen. Das Letztere galt auch für das Konzept des Habitatbaumschutzes, das den Förstern bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Fachzeitschriften bekannt war. Trotz gelegentlicher Schutzbemühungen führte eine zunehmend rationalisierte Waldbewirtschaftung zu umfangreichen Verlusten an sehr alten Bäumen und damit zu einer weitreichenden Unterbrechung der Habitatkontinuität. In Deutschland wurde das erste Netz von Waldnaturschutzgebieten und Naturdenkmälern ab 1906 in Preußen aufgebaut. Hinsichtlich der Umsetzung der Vogelschutzidee stellten sich die Verhältnisse gänzlich anders dar. Der rechtliche Schutz von nützlichen Vögeln, der in erster Linie als eine wirtschaftlich bedeutsame Angelegenheit angesehen wurde, fand die Unterstützung von einflussreichen Forstwissenschaftlern. Deren politische Bemühungen waren auf einen nationalen und internationalen Vogelschutz ausgerichtet. Nach dem Inkrafttreten von nationalen Rechtsvorschriften zum Vogelschutz in den 1880er Jahren ließ das Interesse der Forstwissenschaftler am Schutz der Vögel jedoch nach. Neue Naturschutzideen, die über den Schutz von Vögeln aus utilitaristischen Gründen hinausgingen, fanden vor allem in nicht-forstlich geprägten Teilen des Bürgertums großen Anklang. Der Verlust von Vogellebensräumen aufgrund einer Intensivierung der Waldbewirtschaftung setzte sich jedoch während des gesamten 19. Jahrhunderts fort.