Baumindividuen in den Hochlagen müssen, im Vergleich zu ihren Artgenossen im Flachland, mit kürzeren Vegetationsperioden, geringeren Temperaturen und höheren Schneelasten umgehen. Anpassung durch natürliche Selektion kann sowohl zu vererbbaren genetischen als auch epigenetischen Veränderungen mit einhergehenden phänotypischen Konsequenzen führen. Die Gemeine Fichte (Picea abies (L.) H.KARST.) ist ein pro - minentes Beispiel für eine höhenlagenabhängige phänotypische Variation. Die selten gewordenen Reliktbestände der „Hochlagenfichte“ in den mitteleuropäischen Gebirgslagen mit ihrem einzigartigen Phänotyp weisen im Gegensatz zu den meist umgebenden (und meist allochthonen) „Tieflagenfichten“ schmalere, zylindrische Kronen mit bürstig-plattiger Verzweigung auf, die in bisherigen Studien als Anpassung an das Klima der Mittelund Hochlagen gewertet wurde. Die Verwundbarkeit instabiler, kronenbruchgefährdeter Fichtenbestände in den Gebirgslagen ist immens. Die sichere Ansprache und darauf aufbauende Förderung vs. Entnahme beider Fichtentypen im Jugend- als auch im Erwachsenenstadium unter Einbeziehung von Phänologie und Wachstum, Kronenarchitektur, und Nadeln und Zapfen ist aufgrund des Fehlens zusammenfassender Studien und eindeutiger, leicht zugänglicher, adaptiver Merkmale nur schwer möglich. Zudem stellt sich die Frage, wie sich beide Typen genetisch und epigenetisch unter - scheiden. Wir haben phänotypische und (epi)genetische Studien zur Hochlagenfichte aus Deutschland und benachbarter Gebiete zusammengefasst, diskutiert und Hinweise für das zukünftige Anpassungspotenzial und den Waldumbau gegeben. Im jungen Fichtenbestand lassen sich gleichalte Hoch- von Tieflagenfichten durch früheren und schnelleren Austrieb, weniger August - triebe, früheren Triebabschluss, kürzere Trieblänge, geringeres Höhenwachstum, geringere Gesamthöhe und stärkere Zwieselbildung abgrenzen, während im adulten Bestand die bürstig-plattige Verzweigung, walzigschmale Krone, kürzere Seitenäste 1. Ordnung, geringeren Kronendurchmesser, graugrüne bis graue, kürzere, dichter zusammenstehende Nadeln und leichtere Zapfen und Samen eine Differenzierung der Hoch lagenfichten ermöglichen (genetisch und/oder epi genetisch gesteuert). Die Kronenmerkmalsunterschiede führen wahr - scheinlich zu einer höheren Kronenbruchfestigkeit der Hochlagentypen in den Gebirgsregionen. Die niedrigere Nadelkennzahl und Stomatadichte, und Obovata- Zapfenschuppen der Hochlagenfichten sind als vermutlich adaptiv einzustufen. Die bisherigen genetischen Studien haben nur geringe genetische Unterschiede zwischen Hoch- und Tieflagenfichtenbeständen festgestellt. Wenige, basengenaue DNA-Unterschiede je anpassungsrelevantem Gen, in Kombination mit unterschiedlichen epigenetischen Regulierungen, könnten die phänotypischen Unterschiede erzeugen. Die meisten Studien weisen außerdem auf immer wieder lokal oder regional in den Gebirgslagen Mitteleuropas entstandene oder aus dem Fichtengenpool selektierte Hochlagengenotypen hin.