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- Erstellungsdatum 20. Juli 2024
- Zuletzt aktualisiert 29. Dezember 2024
Der Hintergrund für die Auswertung waren folgende zunächst widersprüchlich anmutende Fakten zum aktuellen Zuwachsverhalten mitteleuropäischer Wald - bestände: Einerseits liegen die jährlichen Zuwächse des Bestandesvolumens vieler Baumarten deutlich über den Erwartungswerten der gängigen Ertragstafeln. Anderseits haben solche Bestände auf die zurückliegenden Trockenjahre mit erheblichen Zuwachseinbrüchen unter ihr langfristiges Zuwachsniveau reagiert. Der Aufsatz quantifiziert, wie die Bestandeszuwächse seit Mitte des zurückliegenden Jahrhunderts immer weiter über das Niveau der Tafeln fortwährend angestiegen sind, und dass sie in Trockenjahren wie 2003 und 2015 zurück - gehen, gleichwohl auch in solchen Jahren bislang über dem historischen Zuwachsniveau liegen, welches die Ertragstafeln abbilden.
Die Auswertung basiert auf insgesamt 54 mittelalten, vollbestockten und nicht oder nur schwach durchforsteten Rein- und Mischbeständen aus Fichten (Picea abies [L.] KARST.), Kiefern (Pinus sylvestris L.), Buchen (Fagus sylvatica L.) und Eichen (Quercus petraea (MATT.)) in Deutschland. Die Untersuchung baut auf deren jährlichen Volumenzuwächsen in den zurückliegenden 20 Jahren auf, einem Zeitraum, in den die Trockenjahre 2003 und 2015 fallen.
Die gemessenen jährlichen Volumenzuwächse liegen um 5–77% und im Mittel um 48% über den jeweiligen Ertragstafeln (Abbildung 2 und Tabelle 4). Besonders deutlich sind die positiven Abweichungen von den Ertragstafeln bei Eiche, Kiefer und Buche (+47–77%) ausgeprägt; die Fichte weicht mit +5% am geringsten von den Werten der Ertragstafeln ab. Rein- (im Mittel 51%) und Mischbestände (im Mittel 47%) unterscheiden sich nicht signifikant in den Abweichungen ihrer jährlichen Volumenzuwächse von den Ertragstafeln (Abbildung 2 und Tabelle 5). Die Zuwächse der meisten Rein- und Mischbestände steigen im Vergleich zu den Ertragstafeln seit 20 Jahren an (Abbildung 1–2 und Tabelle 4). Die Abweichung ist in dem betrachteten 20-jährigen Untersuchungszeitraum im Durchschnitt um 2,60% pro Jahr angestiegen. Die höchsten Anstiege weist die Kiefer auf, die geringsten wurden für die Fichte beobachtet. Die Anstiege sind in den Mischbeständen tendenziell, aber nicht signifikant steiler.
In den Jahren mit der stärksten Stressreaktion auf Trockenheit (2003, 2015) geht der Volumenzuwachs im Mittel auf 0,72 des Normalwertes des langfristigen Trends (1,0) zurück; d.h. im Vergleich zu der langfristigen, positiven Trendlinie ergibt sich in Jahren mit niedrigstem Zuwachs ein Verlust von 28% (Tabelle 4). Die Zuwachsrückgänge sind in den Rein- und Mischbeständen mit Fichten besonders deutlich (Rückgang auf 0,63–0,68). Die geringsten Einbrüche zeigen die Mischbestände aus Kiefer und Buche und Kiefer und Eiche (0,78–0,81).
In den zuletzt genannten Beständen kommt es, im Vergleich zum langfristigen Trend, in Jahren mit großer Trockenheit zwar zu Einbrüchen um 19–22%, die erreichten Zuwächse liegen aber immer noch über dem von den Ertagstafeln prognostizierten Werten. So betrugen die Zuwächse in den Jahren mit den stärksten Zuwachseinbrüchen in der 20-jährigen Untersuchungsperiode im Vergleich zur Ertragstafel im Mittel immer noch 1,07, d.h. sie lagen um 7% über dem Niveau der Tafeln (Tabelle 4). Das bedeutet, dass die Zuwächse in Extremjahren zwar deutlich unter das normale laufende Niveau absinken, dass sie aber trotz dieser Verluste im Durchschnitt noch immer über den Werten der Ertragstafeln verlaufen. Nur in wenigen ungünstigsten Fällen, nämlich in Fichtenreinbeständen, sinken die Zuwächse in Trockenjahren auf 78% der Ertragstafel ab. Im güns - tigsten Fall, in Eichenreinbeständen, liegen sie auch in Trockenjahren noch immer bei 133% der Ertragstafel, d.h. trotz der Einbrüche unter den gegenwärtigen Trend noch immer um 33% über den Erwartungswerten der entsprechenden Ertragstafeln (Abbildung 3). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die für die Eiche verfügbaren Ertragstafeln älter sind als die Fichtentafeln, die zumindest zum Teil, die schon in den 60er- Jahren anlaufende Zuwachssteigerung besser abgebildet haben als die alten Tafeln.
Die Diskussion unterstreicht die Relevanz sowohl der langfristigen Abweichungen von der Ertragstafel als auch der episodischen Abweichungen von dem Aufwärtstrend. Die langfristigen Anstiege über das historische Niveau der Ertragstafeln indizieren grundlegende Veränderungen der Umweltbedingungen durch u.a. Temperaturerhöhung, Verlängerung der Vegetationszeit, eutrophierende N-Deposition und Anstiege der atmosphärischen CO2-Konzentration. Die episodischen Zuwachseinbrüche indizieren Reaktionen auf Trockenstress. Die Untersuchung zeigt, dass langfristige Zuwachszeitreihen aufschlussreiche Kennwerte der Produktivität für die Forstwirtschaft und der Vitalität für das Umweltmonitoring liefern können. Solche Zeitreihen erschienen nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer wahrscheinlichen Zunahme von längeren Trockenereignissen während er Vegetationsperiode für eine Abschätzung der Folgen des Klimawandels als unabdingbar.