03 – Winkel


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Create Date 17. May 2017
Last Updated 17. May 2017
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Der vorliegende Beitrag diskutiert die aktuelle Situation der deutschen Forstwissenschaften und entwirft Vorschläge für eine künftige Neuausrichtung. Er orientiert sich an dem hier ebenfalls abgedruckten Beitrag von GERHARD OESTEN und RODERICH VON DETTEN.

Im Unterschied zu der dort vertretenen Position wird in einer eingangs vollzogenen Analyse die gegenwärtige Lage der deutschen Forstwissenschaften zunächst weniger dramatisch eingeschätzt. Insbesondere werden in Veränderungen des Wissenschaftssystems auch Möglichkeiten zur Neuorientierung forstlicher Forschung und Lehre gesehen. Die von GERHARD OESTEN und RODERICH VON DETTEN aufgestellte These einer drohenden Marginalisierung der Forstwissenschaften wird grundsätzlich geteilt. Sie wird jedoch nicht nur mit allgemeinen Entwicklungen im Wissenschaftssystem, sondern auch mit Veränderungen außerhalb der wissenschaftlichen Institutionen begründet, so z.B. mit einem Bedeutungsgewinn privatwirtschaftlicher Akteure aus der Holzwirtschaft gegenüber den öffentlichen Forstverwaltungen. Über die zunehmend bedeutsamere Drittmittelförderung haben diese Verschiebungen der Einflusspotenziale im Politikfeld erhebliche Implikationen für die Ausgestaltung der forstlichen Forschung.

Im Folgenden wird denn auch die für die Forstwissenschaften traditionell enge Verflechtung mit der Praxis bzw. Politik zum Anlass genommen, sich grundlegend mit dem Interagieren der beiden gesellschaftlichen Systeme Wissenschaft und Politik zu beschäftigen. Kritikwürdig ist hierbei die Vorstellung, dass es früher besser möglich gewesen sei, objektive Wissenschaft einerseits und „parteiliche“, politisierte Wissenschaft andererseits auseinander zu halten. Dieser verbreiteten Auffassung wird eine sozialkonstruktivistische Wissenschaftskonzeption entgegengestellt, die den wissenschaftlichen Forschungsprozess als argumentative Konstruktion von Realität begreift. Die vielfältigen Konsequenzen für das Interagieren von Wissenschaftlern untereinander sowie mit politischen Akteuren werden diskutiert und Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens genannt. Schließlich wird auf das Dilemma hingewiesen, dass sich insbesondere für junge Wissenschaftler aus den gestiegenen theoretisch-methodischen Qualifizierungsanforderungen einerseits und einer zunehmend an Kriterien ökonomischen Nutzens orientierten Forschungspolitik andererseits ergibt.

Der nächste Abschnitt setzt an der von GERHARD OESTEN und RODERICH VON DETTEN aufgeworfenen These an, dass die Krise der Forstwirtschaft zur einer Krise der Forstwissenschaften geworden sei. Es wird dargelegt, dass bei genauerer Betrachtung nicht die Krise, sondern erst erkennbare Auswege der Branche aus der Krise zu Definitionsproblemen für die Forstwissenschaften führen. Dies untermauert die Notwendigkeit einer Lösung des Wissenschaftsbetriebs von einem sektoral auf die Forstwissenschaften zugeschnittenen Verständnis, woraus auch Verschiebungen in der Rollenverteilung zwischen Fachhochschulen, forstlichen Forschungsanstalten und Universitäten resultieren dürften.

Um den „forstlichen“ Wissenschaftsbetrieb in Zukunft stärker in interdisziplinären und -sektoralen Diskursen weiterzuentwickeln, wird im letzten Abschnitt des Beitrages ein Konzept entworfen, das sich von der Vorstellung eines gemeinsamen Dachs der Forstwissenschaften und einem damit verbundenen sektoralen Wissenschaftsverständnis löst. Für die Universitäten wird ein Matrixsystem vorgeschlagen, das über die Einbindung der Institute in wissenschaftsdisziplinäre Schulen die theoretische und methodische Qualität von Forschung und Lehre gewährleisten kann. Der spezifische Fachbezug kann in diesem System über die Einrichtung von thematisch definierten interdisziplinären Zentren gesichert werden. Streng anwendungsbezogene Forschung sowie eine unmittelbar praxisorientierte Lehre sollten hierbei in Zukunft durch Forschungsanstalten respektive Fachhochschulen erbracht werden.

Insgesamt folgt dieser Reformvorschlag somit der Überzeugung, dass sich die Forstwissenschaften angesichts der aktuellen Herausforderungen auch strukturell verändern müssen. Er versteht sich als explizit kritischer Beitrag zu einer Debatte, die gerade aus der Perspektive junger Wissenschaftler unbedingt zu führen ist.

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