01 – Rüther


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Create Date 9. May 2017
Last Updated 9. May 2017
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Die Rekonstruktion von Waldgeschichte ist mittels vielfältiger methodischer Ansätze möglich. In den Anfängen waldgeschichtlicher Forschung wurden vor allem Archivalien, also deskriptive Quellen (waldhistorische Dokumente), ausgewertet, mit dem Ziel, die frühere Baumartenzusammensetzung sowie ehemalige Waldnutzungen und Waldzustände zu rekonstruieren. In der Folgezeit wurden weitere methodische Ansätze wie die Pollenanalyse, die Auswertung von Holzkohleresten und die Dendrochronologie in der wald- bzw. landschaftsgeschichtlichen Forschung etabliert. Heute werden wald- und landschaftsgeschichtliche Fragestellungen vielfach interdisziplinär betrachtet, um so zu Erkenntnissen zu gelangen, die mit den Ergebnissen einer einzelnen Methode nicht hätten erzielt werden können. Hierzu tragen auch Archivalien bedeutende Informationen bei.

Über den Leopolds-Hochwald, ein Waldgebiet der Hochlagen des Vorderen Bayerischen Waldes, und die südlich angrenzenden Vorberge liegen zahlreiche deskriptive Quellen zu den Waldnutzungen und zur Baumartenzusammensetzung vor. Den Archivalien ist zu entnehmen, dass die siedlungsnahen Vorberge, die für Waldnutzungen besonders leicht erreichbar waren, bereits im 17. Jahrhundert stark übernutzt waren. Bau- und Brennholzentnahme hatten zu einem massiven Mangel an Holz geführt, Waldweide und Streurechen zu einer Degradation der Böden und einer Förderung von Nadelhölzern. Dagegen wies der kaum erschlossene, von Waldnutzungen wenig beeinflusste, siedlungsfern liegende Leopolds-Hochwald Anfang des 17. Jahrhunderts noch in etwa die Baumartenkombination auf, die nach heutiger Einschätzung als naturnah einzustufen ist (Buchen-Tannen-Mischwälder mit Beimischung von Fichte und Berg-Ahorn). Infolge der Ressourcenverknappung in den Wäldern der siedlungsnahen Vorberge erhöhten sich in der Folgezeit – trotz der Verbote bzw. Reglementierungen – die nutzungsbedingten Eingriffen auch im Leopolds-Hochwald. Dennoch kamen an der Wende zum 19. Jahrhundert dort noch hauptsächlich Buchen vor, so dass die Nutzungsintensität als eher gering einzuschätzen ist. Unter Einbeziehung besiedlungs- und wirtschaftsgeschichtlicher Aspekte, einschließlich derjenigen des Hinteren Bayerischen Waldes, wird deutlich, dass die Waldnutzungen fast ausschließlich von der bäuerlichen Wirtschaft geprägt worden sind, da ein konkurrierender Wirtschaftszweig, der Ansprüche an eine großräumige Nutzung des Waldes stellte (z.B. Glas- oder Eisenindustrie), weitgehend ausgeschlossen werden kann.

Trotz ihres rein deskriptiven Charakters können mit waldhistorischen Dokumenten zeitlich und räumlich (und damit teilweise auch ökologisch) sehr detaillierte Zuordnungen von wald- und nutzungsgeschichtlichen Gegebenheiten erzielt werden. Die Ergebnisse lassen sich nicht nur klassischerweise in der forstliche Rahmenplanung einbinden, sondern auch in naturschutzfachliche Fragestellungen. Archivalien tragen dazu bei, die Entstehung der heutigen Landschaft, der Wald- und Offenlandverteilung und der aktuellen Vegetation besser zu verstehen. Sie können Hinweise zur Lokalisation und zum Management schützenswerter Flächen geben.

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