J. D. Sauerländer's Verlag: (01) Wehnert
   

Einleitung

Die Wälder im norddeutschen Tiefland sind, wie fast alle Wälder Mitteleuropas, aufgrund ökonomischer und politischer Einflüsse abweichend von ihrer natürlichen Entwicklung bewirtschaftet worden. Auch wenn die natürliche Dynamik von Wäldern mit Pionierbaumarten berücksichtigt würde, ist einzuschätzen, dass diese nicht die ihnen ursprünglich innewohnende, sondern eine geringere Stabilität und Elastizität aufweisen, was insbesondere durch ihre geminderten Fähigkeiten zur natürlichen Regulation von biotischen Schadfaktoren zum Ausdruck kommt (MÜLLER, 2000). Wiederholt breiten sich Massenvermehrungen phyllophager oder cambiophager Insekten aus, die im Extremfall auch mit großflächigen Pflanzenschutzmittelapplikationen eingedämmt werden. Der Waldumbau zielt u. a. darauf ab, den Anteil von Mischwäldern zu Lasten des Anteils der reinen Kiefernwälder zu erhöhen. Diese Zielsetzung wird vorrangig auf Waldflächen mit mindestens mittlerer Trophie und mittlerer Wasserversorgung umgesetzt (OTTO, 1992; MÜLLER, 1997). Die Waldschutzprobleme betreffen jedoch insbesondere Kiefernwälder auf Standorten mit ziemlich armer und armer Trophie sowie geringer Wasserversorgung (ALLRICH und MÜLLER, 1999a; ALLRICH und MÜLLER 1999b). Ein an diese Bedingungen angepasster Waldumbau muss einerseits stabilisierende Komponenten in den Wäldern etablieren und gleichzeitig die Waldbewirtschaftung mit der Gemeinen Kiefer (Pinus sylvestris L.) weiterentwickeln. Die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber potentiellen Schadfaktoren kann durch verschiedene Strukturelemente erhöht werden (ALTENKIRCH et al., 2002; BILKE et al., 2004; RÖHRIG et al., 2006). In Bezug auf die Kiefernwälder auf Standorten geringer Trophie und Wasserversorgung kommen insbesondere kleinflächige Verjüngungen mit Trauben-Eiche (Quercus petraea (Matt.) Liebl.) oder Stiel-Eiche (Quercus robur L.) in Frage (OLDENBURG und MÜLLER, 2004; OLDENBURG, 2006; LEHMANN, 2008).

Bereits JUDEICH und NITSCHE (1895) empfehlen eine Beimischung von Laubbäumen, um die positive Wirkung auf Nadelbaumreinbestände (BLANCKMEISTER, 1962; KOIVULA et al., 1999) hinsichtlich des Schädigungsgrades durch Kiefernspinner (Dendrolimus pini L.) zu nutzen. LÜDGE (1971) bestätigt eine positive Wirkung durch einen systematischen Laubbaumunterbau in Kiefernreinbeständen, der die Reduzierung der Populationsdichte verschiedener Kiefernschädlinge zur Folge hat. Daneben fördern strukturierte Bestände (z.B. Lücken bzw. Laubbaummischungen) die Diversität von Pflanzen und Arthropoden (FAHY und GORMALLY, 1998). Die Auswirkung waldbaulicher Behandlungsweisen waren Gegenstand verschiedener Untersuchungen (DU BUS DE WARNAFFE und LEBRUN, 2004; GOßNER et al., 2006; OLDENBURG, 2006; NIEMELÄ et al., 2007). Um Aussagen zur Wirkung der verschiedenen Mischungsformen auf die umliegenden Bestände zu formulieren, ist zunächst die Untersuchung der Effekte einzelbaumweiser Einmischungen sinnvoll, da diese leicht abzugrenzen und abzubilden sind. Einzelbäume stellen nach WAGNER (2005) die kleinste, waldbaulich relevante Untersuchungseinheit dar. Die ökologischen Wirkungen des einzelnen Baumes, die so genannten Einzelbaumeffekte, umfassen verschiedene Aspekte wie Lebensraumeigenschaften, Stoff- und Energieflüsse (WU et al., 1985; ØKLAND et al., 1999; SAETRE, 1999; WAGNER, 2005; WAGNER, 2006). Diese Effekte stehen im Zusammenhang mit der Position von Einzelbäumen in Wäldern und können sowohl in ihrer Qualität als auch Intensität gemessen werden. Es lassen sich von Einzelbäumen entfernungsabhängige Gradienten beschreiben, da die ökologischen Effekte, in ihrer räumlichen Wirkung begrenzt sind (WAGNER, 2005; WAGNER, 2006). Die Einbindung des Waldschutzes in Einzelbaumbetrachtungen resultiert aus dem naturnahen Ansatz, biologische Automatismen zu nutzen (RÖHRIG et al., 2006). Dies beinhaltet unter anderem den vorbeugenden Schutz, welcher durch geeignete Maßnahmen aus dem Wald selbst heraus entstehen kann.

Um mögliche Effekte, ausgehend von einzelnen Eichen in Kiefernreinbeständen zu untersuchen, wurde die Familie Carabidae (Laufkäfer) gewählt. Carabiden werden in einer Vielzahl von Veröffentlichungen als geeignete Indikatorengruppe für bestimmte Lebensräume benannt, da sie bei ihrer Habitatwahl besonders stark von ökologischen Bedingungen wie Feuchte, Temperatur und Licht abhängig sind (MÜLLER-MOTZFELD, 1989; WACHMANN et al., 1995; RAINIO und NIEMELÄ, 2003). Der Lederlaufkäfer Carabus coriaceus L. wird z. B. mehrheitlich den Laub- und Laubmischwäldern zugeordnet (THIELE und KOLBE, 1962; KOCH, 1994; WACHMANN et al., 1995). Daraus kann die Frage abgeleitet werden, ob sich diese Arten gehäuft im Bereich einzelner Laubbäume, in sonst homogenen Nadelwäldern, nachweisen lassen. Ferner ist von Interesse, ob sich durch einzelne Laubbäume kleinflächig laubwaldähnliche Lebensräume schaffen lassen. Neben der Eignung der Laufkäfer als Indikatorengruppe muss die differenzierte Betrachtung verschiedener Entwicklungsstadien (Laufkäferlarven) hinsichtlich ihrer Indikatorfunktion ebenfalls berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang bestehen noch immer Wissensdefizite hinsichtlich artspezifischer, ökologischer und biologischer Eigenarten von Carabidenlarven. Aufgrund ihrer Weichhäutigkeit, und der daraus resultierenden höheren Sensitivität gegenüber den Umweltbedingungen, sollten auch Larvenstadien in die Überprüfung auf ökologische Effekte von Einzelbäumen einbezogen werden. Daneben könnten Untersuchungen zu den Laufkäferlarven, wegen des eingeschränkten Aktionsraums der Larven und deren fehlender Fähigkeit ungünstige Lebensräume zu verlassen, ein geeignetes Instrumentarium für die Ableitung verbesserter indikativer Aussagen bieten (MÜLLER-MOTZFELD, 1989; LÖVEI und SUNDERLAND, 1996).

SCHLAGWÖRTER: Einzelbaumeffekt; Carabidae; räumliche Verteilung; Pinus sylvestris; Quercus petraea.

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